Hans Wallner zur Eröffnung der Ausstellung „Das 5. Gebot - du sollst nicht töten“
mit Werken von Kurt Bachner und Paul Dav Babenberk
8. November 2016 in Amstetten
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kunstfreunde!
Ich freue mich, vor Ihnen zu dieser Ausstellungseröffnung sprechen zu
dürfen. Das Motto der Ausstellung und die gezeigten Arbeiten sind eine
Herausforderung!
Wie sind die Ursprünge des Gebotes „Du sollst nicht töten?
Komplexer gewordene Gesellschaften im Altertum benötigten Regeln des
Zusammenlebens. So bildeten sich die Gebote, wie wir sie aus der
jüdisch-christlichen Überlieferung kennen, heraus. Allerdings war
zunächst das Tötungsverbot auf Morden bezogen, nicht auf kriegerische
Auseinandersetzungen.
Unserem heutigen Verständnis nach ist das Tötungsverbot universeller,
wenngleich dies durchaus umstritten ist. Dies zeigt sich in der
Auffassung des sog. Gerechten Krieges (im Sinne der mittelalterlichen
Lehre des Thomas von Aquin, 13. Jhdt.). Die Militärseelsorge räumt ein,
dass ein Angriffskrieg nicht zulässig sei, ein Militäreinsatz als
allerletztes Mittel jedoch schon, wenn alle friedlichen Möglichkeiten
ausgeschöpft sind. Wir sehen hier einen Widerspruch, denn der Satz „Du
sollst nicht töten“ erscheint mir absolut. Meine Auffassung teile ich
mit Humanisten und Menschen, die die Schrecken des Krieges (z. B. in
Afghanistan oder Syrien) gesehen haben, ich zitiere Jürgen Todenhöfer
(Journalist): „Wie kann, was im eigenen Land als schändliches
Verbrechen gilt, außerhalb der Grenzen eine Heldentat sein?“ (aus J.
T., Mein Traum vom Frieden).
Das Recht auf Leben, also auch das Tötungsverbot muss nicht nur in den
Ländern wie den unseren gelten, in dem es in einem langen und mühe- und
leidvollen Prozess zu einem elementaren Gut wurde, sondern auf der
ganzen Welt! Daran müssen sich alle Gesellschaften messen lassen!
Artikel 3 der Erklärung der Menschenrechte: (Recht auf Leben und
Freiheit) Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der
Person
Das muss Geschäftsinteressen übergeordnet sein. So ist es inakzeptabel,
dass in Länder mit Unrechtsregimen wie z.B. Saudi-Arabien oder
der Türkei Rüstungsexporte erfolgen. Und nicht nur, dass in den
genannten Ländern Menschenrechte mit Füßen getreten werden, es handelt
sich bei deren Regime um Helfer der barbarischsten Verbrecher, dem IS.
Ich zitiere dazu den im Exil lebenden syrischen Schriftsteller Rafik
Schami (aus einem Interview der Aargauer Zeitung vom 5. 11. 2016):
Diese Nussra- oder IS-Dschihadisten sind primitive Verbrecher, die aber
mit der Technik und den Waffen des 21. Jahrhunderts bewaffnet wurden.
Sie werden kein einziges Problem der Region lösen, weil sie selbst das
grösste Problem sind.
Wer hat sie stark gemacht? Nachweislich Katar und Saudi-Arabien, zwei
West-Verbündete. Wenn der Westen wollte, hätte er innerhalb 24 Stunden
alle Hilfen für diese Verbrecher unterbinden können. Diese Scheichtümer
und Saudi-Arabien können ohne den Westen nicht eine Woche lang
funktionieren. Angeblich habe der Westen Angst vor einem Öl-Embargo.
Das ist ein geschmackloser Witz! Was sollen die Ölscheichs mit dem
Erdöl machen, es austrinken?
„Du sollst nicht töten“ meint nicht nur Morde und kriegerische Akte.
Getötet wird durch vielerlei Handlungen bzw. Nichthandlungen, einige
Beispiele:
- Offenkundig ist dies bei der Asyl- und Flüchtlingspolitik der EU.
- Subtiler wirkt der Entzug der Nahrungsgrundlagen, weil das Land,
welches Menschen zur Nahrungsgewinnung benötigen, für andere Zwecke wie
Rohstoffausbeutung oder Anbau von Agrarerzeugnissen für Industrieländer
geraubt wird.
- Oder die Verweigerung einfacher Medizin unter Berufung auf Patente.
- Oder die Patentierung von Saatgut …
- Umweltzerstörung, Luftvergiftung, Plastik in Ozeanen … - all dies tötet -
- Und nicht zu vergessen: Der Rüstungsexport, vor allem in
Spannungsgebiete (wohin denn sonst, dort lässt sich am meisten
verdienen). Kombiniert mit einer Politik, welche Spannungen befördert,
um globale Interessen durchzusetzen.
Warum ist das so? Warum können Menschen nicht friedlich miteinander und im Einklang mit der Natur leben?
Der Strom der Rohstoffe für die Produktion von fragwürdigen Dingen und
für Wachstum in den Industrieländern soll gewährleistet werden.
Arbeitskräfte für die Massenproduktion (Textilindustrie!) müssen billig
bleiben.
Zusammengefasst: Das gewinnorientierte, man kann auch sagen
kapitalistische Wirtschaften muss mit allen Mitteln aufrecht erhalten
werden.
Ein Zitat von P.J. Dunning (1860), das Karl Marx in einer Fußnote im
„Kapital“ bekannt machte, wird oft zur Charakterisierung des Profits
gebraucht: „Das Kapital hat einen Horror vor Abwesenheit von
Profit, oder sehr kleinen Profit, wie die Natur von der Leere. Mit
entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man
kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent,
positiv und waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen
Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein
Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens.“
Das Gebot „Du sollst nicht töten!“ muss umfassend gelten, auch wenn
dafür wirtschaftliche Nachteile in Kauf genommen werden müssen.
Der Lohn ist eine gerechtere Gesellschaft und eine lebenswertere
Welt bzw. Lebenssphäre. Es ist wie alle anderen Menschenrechte
Grundlage eines gedeihlichen Zusammen- und Überlebens auf dieser Welt.
Welche Bedeutung kommt dabei Künstlern zu? Können sie etwas bewirken?
Kunst findet nicht im wertfreien Raum statt. Sie ist eingebettet in die
Gesellschaft, in der sie stattfindet. Das kann bedeuten, sie verhält
sich konform, stabilisiert die bestehenden Machtverhältnisse. Oder sie
nimmt kritisch Stellung. Im ersteren Falle halte ich sie für weitgehend
entbehrlich, da taugt sie bestenfalls als netter Zierat. Meines
Erachtens sollte Kunst, sollten Künstlerinnen und Künstler zum
Nachdenken anregen, auf etwas aufmerksam machen, sozusagen Seismograph
der Gesellschaft sein. Nicht plakativ, vielmehr mit ausdrucksstarken
überzeugenden Mitteln.
Vor Jahrzehnten hatte die Künstlergruppe tendenz es so formuliert (besser kann ich das auch nicht):
„... wir (verstehen)die künstlerische Aussage um eines Themas willen.
Die Themen sind die Zustände dieser Welt. Unsere Aussagen sind Aussagen
über diese Zustände.“
Sie wandte sich gegen den damals (heute auch noch?) vorherrschenden
bloßen Ästhetizismus innerhalb der modernen Kunst, „... hinter dem sich
Ratlosigkeit und - schlimmer noch - Feigheit verbergen: der Verzicht,
eine künstlerische Position zur Wirklichkeit im allgemeinen und zur
gesellschaftlichen Gegenwart im besonderen zu beziehen.“ Das war
1960? Und wie ist das heute? …?
Freilich sehe ich die enorme Herausforderung an Kunstschaffende, sich
mit den Zuständen dieser Welt zu befassen. Die künstlerische
Arbeit soll ja überzeugend wirken. Den Betrachter sensibilisieren
und im Idealfall zu Gedanken anregen über positive Visionen zu den
Möglichkeiten unserer Zukunft. In Zeiten mit weitgehendem Fehlen von
Visionen ist es auch für Künstler schwer, solche zu visualisieren.
Obgleich diese durch ihre Fantasie und ihren „Blick über den
Tellerrand“ am ehesten dazu in der Lage sind (oder sein sollten).
Naheliegender ist es, zunächst mal die inhumanen Zustände anzuprangern
und damit das Publikum zum Nachdenken und zur Entwicklung von
Alternativgedanken anzuregen. Das hat auf jeden Fall seine Berechtigung
und steht in einer langen künstlerischen Tradition.
Nun noch einge Gedanken zu unseren beiden Künstlern und ihren Arbeiten:
Aufrüttelnd und berührend sind Kurt Bachners Arbeiten „Kindersoldaten“,
Flucht und Vertreibung. In seinem Bild „Fashion“ werden wir mit der
Ausbeutung von Textilarbeiterinnen konfrontiert. Die Bilderserie
„Despoten“, eine übermalte Fotomontage zeigt die Kontinuität und die
Parallelen von gewesenen und heutigen despotischen Herrschern. Sie
alle, mal direkt, mal inderekt, haben sich mit Blut befleckt.
Umweltzerstörung ist bei Kurt B. sowohl in älteren als auch neueren
Bildern Thema: „Pollution“ von 2012 als auch in dem neueren Bild des
toten Waldes.
In einem Raum zwingt uns der Künstler, über Leichen zu gehen. Es ist
eine Installation, die uns in sehr sinnlicher Weise mit dem Tod, mit
dem Töten konfrontiert. Sie lässt uns erschaudern. Lassen sie
diese Installation auf sich wirken! Wir können nicht die Augen und das
Herz vor den Grausamkeiten verschließen.
Kurt Bachner sagt in seinem Bekenntnis von 2013 „Ästhetische Regeln gibt es nicht!“:
„Ein Bild soll nicht nach etwas aussehen, was es nicht ist, sondern
nach etwas, was es ist. Und ich glaube, ein Bild gleicht der realen
Welt mehr, wenn es aus dieser realen Welt gemacht ist. … Möglich daß
ich mich täusche, aber von mir weiß ich, daß ich kein Programm habe,
nur die unerklärliche Sehnsucht, das zu fassen, was ich sehe und fühle,
und dafür den reinsten Ausdruck zu finden. Im stillen und ganz privaten
bin ich sogar der Meinung, daß sich über Kunst überhaupt nichts 'sagen'
läßt.“
Während die Bilder von Kurt Bachner am Realismus orientiert sind, uns
Szenen, teils collagenhaft, vorführen, immer eindrücklich, bedrückend
(was nicht nur an den großen Formaten liegt), finden wir bei Paul Dav
Babenberk eine andere Formsprache.
Da sind seine skulpturalen Collagen „Die sieben Todsünden“ und
„Todessehnsucht nach dem Leben“, sie sprechen beide für sich. Die
Trichter auf dem leeren Kopf lassen die Frage aufkommen, was wird da
wohl eingetrichtert werden? „Kreuzweg“ als auch „Alles was ihr wollt“
nehmen christliche Symbolik auf.
Ergänzt werden seine Skulpturen durch Texte wie zu „Alles was ihr wollt“:
Warum Freiheit, wenn wir doch den Frieden haben können.
Warum Freiheit verhindern, wenn wir doch den Frieden lieben.
Nicht die Freiheit – die keiner kennt, sondern der Frieden ist das Streben
das jeden Menschen zu einem Atemzug werden lässt.
Des Lebens Leidenschaft im Kampf für Freiheit, Liebe, Wahrheit Frieden,
um in der Stunde doch nur sich selbst zu sein.
Findest du die Freiheit -
oder deinen Frieden.
Mit seinen Texten weckt Paul Dav Babenberk ebenso den Geist des
Betrachters wie mit seinen Skulpturen, regt zum Nachdenken an. In
anderer Weise geschieht dies mit seinen Bildern. Sie stehen in einem
Kontrast zu Kurt Bachners Bildern, sind eher abstrakt. Und dennoch
eindrücklich, fragend „Wo stehen wir? Was ist unsere Position? Beziehen
wir Stellung?“ Wir finden Gegenüberstellungen mit historischen
Persönlichkeiten und auch – da taucht dieses Thema wieder auf – mit
Despoten.
Wenn auch die Arbeiten der beiden Künstler recht unterschiedlich sind,
so verbindet sie ihre Thematik. Der Kontrast in den Ausdrucksmitteln
verstärkt die Wirkung der Ausstellung. Den einzelnen Betrachter mag
vielleicht die eine oder die andere Art der künstlerischen Mitteilung
mehr ansprechen. In der Gesamtheit ist dies eine sehr gelungene,
allerdings schwergewichtige Ausstellung. Ich wünsche den Künstlern dass
sie über diesen Ort hinaus wirken mag. Vielleicht durch die Übernahme
an weitere Ausstellungsorte.
Zum Schluss in eigener Sache:
Als Vertreter des Vereins Kunst für Frieden e. V. freue ich mich, zu
dieser Ausstellungseröffnung eingeladen worden zu sein. Wir werden auf
unserer Webseite
www.friedenatelier.de auf diese sehr aktuelle Ausstellung aufmerksam
machen und mit unseren bescheidenen Mitteln dazu beitragen, die Arbeit
der Künstler bekannter zu machen.
|
|